Friedliches Scheiden……

Eine Illusion oder ein gangbarer Weg?

Anita Schälin, SDM Mediatorin

 Wenn sich ein Paar zu einer Scheidung entschliesst, haben sowohl Mann als auch Frau schon viele schmerzhafte Momente durchlebt. Mit Adjektiven wie schmerzfrei, konfliktfrei und verlustfrei kann wohl keine Scheidung beschrieben werden und friedlich wird es auch nicht immer zugehen. Doch wenn wir den Blick auf geschiedene Paare werfen, können durchaus friedliche Beziehungen «Nach-dem-Scheiden» wahrgenommen werden.

Die Grundlage für einen einigermassen konstanten Frieden nach der Scheidung wird während der Trennung und vor allem während dem Scheidungsprozess gelegt. Hier liegt meines Erachtens die Chance der Weichenstellung. Jedes Paar steht vor der Entscheidung, wie sie die Ausarbeitung der bevorstehenden Scheidungskonvention angehen. Entschliessen sich «Noch-Eheleute» für eine Mediation, um die Scheidungsvereinbarung in gegenseitigem Einvernehmen auszuarbeiten, legen sie eine gute Grundlage für eine friedliche Eltern- oder Expartnerbeziehung.

Stehen Entscheidungen für noch minderjährige Kinder an, ist eine der grössten Herausforderungen, dass die Scheidenden es schaffen, von der Partnerrolle (oft verletzt, enttäuscht und wütend gegenüber dem Partner oder der Partnerin) in die Elternrolle (Schutz und Fürsorge und ein gutes Umfeld für die Kinder schaffen) zu gelangen. Beide Rollen dürfen gelebt werden, doch entscheidend ist, wann welche Rolle dominiert und gezeigt wird. Schaffen es die Eltern im Zusammensein mit den Kindern in ihrer Elternrolle zu bleiben, umso mehr Stress ersparen Sie den Kindern. Die Kinder brauchen Vater und Mutter.

In meinen Scheidungsmediationen kann es emotional hergehen, Parteien weinen, streiten und alte Verletzungen kommen noch einmal hoch. Mann und Frau verhandeln und stehen für sich selber ein. Doch sie werden auch immer wieder aufgefordert die Position des anderen oder der Kinder einzunehmen und im Sinne von diesen ihre eigene Sichtweise zu überdenken. Nach kürzerer oder länger Zeit liess sich bis jetzt immer eine Einigung finden, welche für beide Seiten stimmte. Eine Scheidungskonvention wird erst abgeschlossen und dem Gericht eingereicht, wenn beide Personen diese als fair und stimmig empfinden, andernfalls wird nach anderen Lösungen und Optionen gesucht.

Ein Paar, um die fünfzig, verwarf x-Mal mögliche Lösungen. Wir gingen wieder zurück, ergründeten Bedürfnisse, welche noch nicht berücksichtigt worden waren und suchten neue Möglichkeiten. Nach insgesamt 12 Sitzungen und drei weiteren mit der Treuhandfachperson hatten wir die Konvention zusammen. Bei einem Paar mit schulpflichtigen Kindern konnte eine Betreuungslösung vereinbart werden, welche über den «nur richterlichen Weg» nicht möglich gewesen wäre. Es hätte die Privatsphäre der anderen Partei zu stark tangiert.

Ob Elternbeziehungen nach der Scheidung immer friedlich sind, kann ich nicht sagen, doch die Parteien in meiner Praxis sind stets bemüht, eine bestmögliche Ausgangslage zu schaffen damit die Bedürfnisse der Kinder im Zentrum bleiben.

Eine Scheidung ist immer ein Verlust und ist mit Trauer und Loslassen verbunden. In finanzieller Hinsicht bedeutet es meist eine Einschränkung der bisherigen Situation. Der Inhalt der Scheidungskonvention kann jedoch in einer Mediation mitbestimmt werden und die Scheidenden haben den Prozess selber in der Hand. Ich als Mediatorin begleite und strukturiere ihn, verschriftliche und stelle sicher, dass die möglichen Handlungsspielräume eingehalten, von beiden Parteien als gerecht und fair wahrgenommen werden und umsetzbar sind. Gewisse rechtliche Vorgaben sind zwingend einzuhalten (Pensionskasse, Vorsorgeersparnisse, Sorgerecht der Kinder, Beziehungsrecht) und die güterrechtliche Auseinandersetzung lagere ich bei grösseren Vermögenswerten aus. Manchmal ist auch die Zusammenarbeit mit weiteren Fachpersonen angebracht.

Bei allen Bemühungen sich friedlich scheiden zu lassen, begleite ich auch sehr gerne Paare, die in eine Paar- Mediation in Form einer Prävention kommen. Ein präventiver Tipp für das erhalten einer langjährigen Beziehung, welcher mir eine Mediandin mit auf den Weg gab, teile ich an dieser Stelle gerne mit Ihnen: «Verbringen Sie gemeinsam Zeit mit Ihrem Partner*in. Falls zu wenig gemeinsame Interessen vorhanden sind, wechseln Sie aus beiden Interessebereichen ab. Und Probleme ansprechen und früher gemeinsam Unterstützung in Anspruch nehmen.»