Geld und Liebe auf dem Hof: So entschärfen Obwaldner Mediatoren Konflikte

Das Mediatoren-Team von Anita Schälin, Silvia Kiser und Theddy Frener wird dann gerufen, wenn es brenzlig wird. Gefragt sind die drei auch in der Landwirtschaft. Ein Einblick.

Eine junge Frau, nennen wir sie Erika Meyer, traut ihren Augen nicht: Als sie an einem herbstlichen Freitagabend von ihrer Arbeit auf einen Hof in Obwalden zurückkehrt, hat jemand das Unkraut in ihrem Garten bereits gejätet. Eigentlich könnte sie froh sein. Doch Erika stürmt entrüstet in die heimelige Stube, wo Ehemann und Bauer Hans Meyer sie bereits erwartet. «Schätzli, es hed no Birresaft und Alpchääs», sagt er. Doch Erika Meyer mag nicht mehr auf die Schönwetter-Stimmung eingehen. «Wer hat in meinem Garten gewütet», fragt sie sichtlich ausser sich. Hans Meyer knallt seine Fäuste so stark auf den Tisch, dass der Birnensaft zu Boden fällt und der Krug zerbricht. Er stürmt aus der Stube. Erika Meyer vermutet bereits, wer ihr die Arbeit weggenommen haben könnte: Zur Rache füllt sie die Stiefel der Mutter von Hans Meyer mit Wasser. Eine Woche später klopfen die drei an den Türen der Obwaldner Mediationsberatung Kiser an – so oder ähnlich könnte sich ein Hofkonflikt zugetragen haben, bei dem das Mediatoren-Team von Anita Schälin, Silvia Kiser und Theddy Frener involviert sein würde. Die in Obwalden ansässigen Mediatoren betreiben eigene Büros und arbeiten bei manchen Konflikten eng zusammen.

Die Mediatoren Anita Schälin, Silvia Kiser und Theddy Frener entschärfen auf Obwaldner Höfen Konflikte.

Die Mediatoren Anita Schälin, Silvia Kiser und Theddy Frener entschärfen auf Obwaldner Höfen Konflikte.

Bild: Christian Tschümperlin (Sarnen, 17. November 2020)

«Generationenkonflikte auf einem Hof sind keine Seltenheit», lässt Silvia Kiser durchblicken. Es gäbe zwar viele junge Frauen und Männer, die ein Leben auf dem Hof bewusst wählten und dieses auch suchten. «Aber es ist nicht nur eine heile Welt. Das Zusammenleben und Arbeiten ist sehr anspruchsvoll, wie auch in anderen Familienunternehmen.»

Das Bauernleben gestaltet sich anspruchsvoll

Mediatoren sind nicht nur auf den Höfen gefragt: Einsatzgebiete sind Beziehungsprobleme aller Art, ob in der Familie oder bei der Arbeit, ob alt oder jung. Die Mediatoren beobachten gerade bei der jungen Generation eine Offenheit, Konflikte frühzeitig wahrzunehmen und anzugehen und dafür auch Unterstützung wie eine Mediation in Anspruch zu nehmen. «Auf einem Bauernhof kommt vieles zusammen, es ist komplex und man kann nicht ausweichen: Man lebt zusammen und verdient das Geld gemeinsam. Das ist eine Herausforderung, vor der ich meinen Hut ziehe», sagt Kiser.

Anita Schälin ist bei Hofkonflikten als Co-Mediatorin häufig mit dabei. Eine Mediation soll einen geschützten Rahmen des Austausches bieten und folgt einer klaren Struktur. «Emotionen haben Platz und je stärker sie zum Vorschein kommen, desto besser», sagt sie. «Manche Leute kommen mit grossen Listen voller Klagen.» Den Mediatoren geht es nicht darum, festzustellen, wer Recht und wer Unrecht hat. «Jeder hat seine persönliche Sichtweise und es gibt einen Grund, weshalb die Person eine bestimmte Position einnimmt. Wir wollen herausfinden, was dieser Grund ist.» Während des Prozesses werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Ist der Dialog erfolgreich, können auch gegenseitige Perspektivenwechsel der Parteien erfolgen.

Nicht immer liegt Win-win drin

Am Ende der Mediation steht häufig ein Mediationsvertrag und Ziel ist eine Win-win-Situation. «Bei einer Scheidung kann man jedoch nicht zwingend von Win-win sprechen, gerade mit Blick auf die neue finanzielle Situation. Ein Gewinn für alle bedeutet jedoch eine gute Elternbeziehung, welche durch eine Mediation begünstigt wird», sagt Schälin. Man wolle zwar das Bestmögliche für beide Parteien erreichen, aber dies könne auch bedeuten, dass man ein Arbeitnehmerverhältnis oder eine Beziehung auflöse.

«Es kann sein, dass man sich zu stark auseinanderentwickelt hat und man sich eingestehen muss, dass man nun verschiedene Projekte im Leben hat. Wichtig ist, dass man friedlich auseinandergeht.»

Oft sind aber auch ganz einfache Lösungen möglich. «Konflikte beginnen oft im Kleinen und wiegeln sich hoch, weil man nicht miteinander redet», sagt Theddy Frener. Im Falle des imaginären Beispiels mit der Mutter des Partners, die aus gutem Willen den Garten von Erika Meyer gejätet hat, kann sich Frener folgendes vorstellen: «Es hätte gereicht, wenn die Mutter einfach gefragt hätte, ob sie ihrer Schwiegertochter etwas Gutes tun und das Jäten übernehmen kann.» Mit dieser einfachen Regel liessen sich viele Konflikte entschärfen. «Reden, reden, reden und sich wertschätzen – es geht wirklich um nichts anderes», sagt er.

Weitere Informationen zur Mediation in der Landwirtschaft finden Sie unter: www.hofkonflikt.ch