Gutes Sterben oder was Sterbende bereuen!

Theddy Frener, SDM-Mediator

Vor nicht langer Zeit las ich in einer Konsumentenzeitschrift unter dem Titel «Was Sterbende bereuen» von der Australierin Bronnie Ware die im Zusammenhang mit ihrer Glücksforschung und als Palliativpflegerin todkranke Menschen auf ihrem letzten Weg begleitete. Sie sprach mit ihnen darüber, ob sie ein gutes Leben hatten. Überraschend oft bekam sie zu hören, dass die Sterbenden gerne anders gelebt hätten. Die Erkenntnisse veröffentlichte sie im Buch «Fünf Dinge die Sterbende am meisten bereuen».

«Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben.»

«Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet».

«Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.»

«Ich wünschte mir, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden aufrechterhalten.»

«Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt glücklicher zu sein».

Ich meine, dass diese Punkte zum Beispiel wie folgt ergänzt werden könnten:

«Ich wünschte, ich hätte den schon lange andauernden Zwist mit meinen Geschwistern, Kindern, Nachbarn usw. noch bereinigen können.»

«Ich wünschte, ich hätte mich in Familienangelegenheiten nicht immer so stur verhalten.»

«Ich wünschte, ich hätte die Planung meiner Nachfolge schon früher an die Hand genommen.»

«Ich wünschte, ich hätte im Umgang mit meinen Mitmenschen mehr Kompromissbereitschaft gezeigt.»

Ich höre ab und zu in meinem privaten Umfeld, dass der Vater oder die Mutter nicht sterben, nicht loslassen konnte. Wir wissen nicht was sie oder er noch nicht aufgearbeitet hat. Das habe ich auch bei meinem sterbenden Vater erlebt. Er musste in seinem Leben etwas Tiefgründiges erlebt haben, das er bis zur letzten Minute nicht verarbeiten konnte. War es ein alter Konflikt? Ein Erlebnis aus der Kindheit? Vielleicht können wir es erahnen, erfahren werden wir es wohl nie genau.

In einer Tageszeitung las ich letzthin eine interessante Kolumne zum Thema «Gutes Sterben». Der Verfasser, Eugen Koller, kath. Theologe aus Luzern meinte dazu: «Es trifft zu, dass einem guten Leben auch ein gutes Sterben folgt.» «Palliativmediziner*innen betonen, dass ein gutes Sterben vielfach damit zusammenhängt, ob der sterbende Mensch das Gefühl hat, dass sein Leben erfüllt war, dass es in Ordnung war.» Er schreibt dann auch weiter, was die sterbenden Menschen wohl am meisten bedauern. Nicht so überraschend kommt hier die Aussage, dass viele Menschen bedauern, dass sie gegenüber ihren Mitmenschen nicht so gehandelt haben, wie sie selbst hätten behandelt werden wollen. Das ist ein enorm wichtiger Punkt, der uns auch in der Mediation immer wieder beschäftigt. Menschen sind oft gegenüber Konfliktpartner*innen verletzend und verurteilend, was sie selbst jedoch als ehrlich und direkt beschreiben. Das Gegenüber kann im Moment gar nicht angemessen reagieren.  Erst zu einem späteren Zeitpunkt haben wir die Gegenargumente bereit mit denen man hätte entgegnen können.   Meistens vertragen Menschen, die sehr direkt sind, keinen Widerspruch des Gegenübers, geschweige denn, die gleiche Direktheit, die sie selbst als richtig empfinden.

Für mich persönlich war es auf jeden Fall eine heilsame Erfahrung als mich in jungen Jahren ein guter Freund einmal darauf angesprochen hat, ob ich auch so viel ertragen könnte, wie ich im Stande sei auszuteilen. Diesen Hinweis habe ich nie vergessen und dementsprechend habe ich auch mein Verhalten angepasst. Also sprechen sie solche Empfindungen unbedingt frühzeitig an, am besten in einem unbeschwerten Moment, der keinen Bezug zum Streitgespräch hat.  Sie stehen einerseits für Ihre eigenen Bedürfnisse ein, anderseits geben Sie der anderen Person die Chance, automatisiertes Verhalten sichtbar zu machen und sich so zu verändern, dass sie sich gegenüber Menschen so verhalten, wie sie gerne selbst behandelt werden möchten. Eine Mediation wäre auch hier präventiv eine Möglichkeit, da unbeachtete Bedürfnisse irgendwann zu erhärteten Konflikten führen können.

Gerne schliesse ich mit den Worten von Eugen Koller:

«Wer nicht zu seinen Gefühlen stehen kann, das Leben nicht im Hier und Jetzt bewusst gestaltet und achtsam ist und wenig auf gute Freundschaften baut, erkennt am Ende des Lebens, Wichtiges verpasst zu haben. Ob wir zufrieden loslassen und sterben können, haben wir auch in unseren Händen».

Ich freue mich auf Ihren Anruf oder Ihre Kontaktaufnahme.