Der erste Anruf ist gemacht und nun wie weiter?
Anita Schälin, SDM Mediatorin
Wir wissen, wie viel Überwindung es braucht, etwas Unangenehmes anzugehen. Zudem erscheint uns der Zustand nicht immer gleich schwer. Manchmal nehmen wir die Situation als nicht so schlimm wahr, dann sieht es so aus, also ob sich alles wieder einpendelt oder wir reden uns selbst gut zu, nicht über zu reagieren oder noch etwas abzuwarten. Immer sind andere Personen mitbetroffen. Die Situation wird nicht von allen gleich empfunden oder eingeschätzt. Der eine befürchtet etwas zu verlieren, die andere müsste allenfalls etwas verändern.
Irgendwann entscheidet eine Partei, so geht es nicht weiter. Sie sucht sich eine stimmige Mediator*in, greift zum Hörer und macht den ersten Anruf. Dieser kann sehr entlastend sein, denn an dieser Stelle kann endlich die eigene Sichtweise an einer neutralen Person geschildert werden.
Auch wenn diese Handlung banal und unspektakulär erscheint, bedarf sie grosser Anstrengung und innerer Auseinandersetzung. Jetzt gilt es dran zu bleiben und sich nicht durch Widerstände und Unentschlossenheit der anderen Partei aufhalten zu lassen.
Folgende Szenarien habe ich bis jetzt erlebt:
-Es bleibt bei diesem ersten Anruf. Eine Mediation kommt nicht zu Stande. Gründe dafür kann ich nur erahnen. Ich gehe davon aus, dass die anderen involvierten Parteien nicht offen sind für eine Mediation, sich verweigern oder dass kein gemeinsamer Termin gefunden wird. Ein möglicher Grund kann natürlich auch eine andere Anlaufstelle sein. Vielleicht wurde eine Beratungsstelle gefunden oder der gerichtliche Weg wird eingeschlagen.
-Es folgt ein zweiter Anruf. Es wird mitgeteilt, dass eine Mediation nicht mehr nötig ist. Erstaunlich ist hierbei, dass ein Anruf bei einer Mediator*in bereits bei allen Beteiligten etwas in Gang setzt. Einsichten können hier passieren und Konflikte lösen sich in der Tat von selbst. Ich hatte kürzlich einen solchen zweiten Anruf und erfuhr, dass sich der Konflikt wie durch ein Wunder gelöst hätte. Ich freute mich sehr darüber und wir wünschten uns gegenseitig alles Gute. Auf ein Widersehen verzichteten wir😊.
-Die Person meldet sich wieder. Die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Anruf kann zwischen Stunden und Monaten dauern. Zusammen wird ein Termin gefunden und die Mediation kann starten.
Der Stillstand nach dem ersten Anruf kann also durchaus positiv sein. Allzu oft wird jedoch der erste Flow unterbrochen und der Konflikt und die Belastung bleiben bestehen. An dieser Stelle empfehle ich, möglichst beim ersten Anruf mehrere mögliche Termine mit der Mediator*in zu vereinbaren. Steht ein Termin, ist die Chance grösser, dass es weiter geht. Mediationstermine können bekanntlich auch wieder abgesagt werde. Wenn mehrere Parteien involviert sind, starte ich mit denen, die bereit sind mitzumachen. Vielleicht kommen die fehlenden Personen später dazu oder die Aktiven bringen etwas in Gang, so dass alle in eine Veränderung kommen.
Können Sie die andere Partei nicht zu einer Mediation überzeugen, bleibt Ihnen noch die Möglichkeit alleine den Konflikt anzugehen. In diesem Fall spricht man eher von Beratung oder Coaching. Sie finden Mittel und Wege, wie Sie mit dem Konflikt umgehen oder für sich kleine oder grössere Veränderungen einleiten und umsetzen können.
Ein Mann, der einen Arbeitsplatzkonflikt hatte und die involvierte Person nicht für eine Mediation motivieren konnte, fand einen Weg, wie er mit diesem Arbeitsgspändli möglichst energieschonend umgehen konnte. Dafür investierte er zwei Mal eine Stunde Beratung.
Also, wenn Sie den ersten Schritt machen und eine Mediator*in kontaktieren, machen Sie auch den zweiten Schritt und vereinbaren Sie einen Termin. Wenn alle Stricke reissen, haben Sie die Möglichkeit, diesen alleine wahr zu nehmen um für sich eine Strategie zu finden. Die weiteren Schritte gehen dann fast von alleine…