Wenn ein Virus Freundschaften zerstört

Theddy Frener, SDM-Mediator

Seit bald zwei Jahre beschäftigen sich die Menschen rund um den Globus mit dem Thema Coronavirus. Kein Tag geht vorbei an dem wir nicht durch Fernseh-, Radio- und Zeitungsberichte an dieses Thema erinnert werden. Kein Gespräch am Arbeitsplatz, in der Familie, unter Freunden und Bekannten bei denen nicht das Virus im Vordergrund steht. Vielleicht geht es Ihnen wie mir. Es gibt Tage, da möchte ich am liebsten nichts mehr von Corona hören, die Nachrichten am Bildschirm und die Zeitungsberichte einfach ignorieren und mich anderen wichtigen Themen zuwenden, die es auf der Welt auch noch gibt. Dieses Unterfangen gelingt mir aber nur bedingt. Von Freunden und Bekannten höre ich, wie sie unter der Situation leiden. Es wird grosszügig in «Gut» und «Böse» oder aktuell «Geimpfte» oder «Ungeimpfte» eingeteilt. Je nachdem, wie die persönliche Situation sich darstellt, macht man sich Freunde, das Thema wird fallengelassen oder man endet in einer Diskussion, bei welcher man sich oft so verstrickt, dass man fast nicht mehr herauskommt.

So erstaunt es nicht, dass sich Geschwister darüber streiten, ob sie sich zum traditionellen Gedächtnis ihrer verstorbenen Eltern treffen sollen oder nicht, weil eines der Geschwister nicht geimpft ist. Es erstaunt auch nicht, dass langjährige Partnerschaften eine echte Krise durchmachen, weil sich der/die eine Partner*in nicht impfen lassen will oder sie sich nicht einig sind, wie sie sich zum Thema «Impfen der Kinder» verhalten wollen.

Positiv erstaunt war ich aber über die nachfolgende Geschichte, die ich Ihnen gerne kurz erzählen möchte.

Vier pensionierte Freunde treffen sich regelmässig bei schönem oder schlechtem Wetter zu Bergwanderungen oder Schneeschuhtouren. Ein wöchentlicher Anlass der nebst Geselligkeit auch etwas zur Fitness im Alter beiträgt. Eine wunderbare Gewohnheit also die keiner der vier Pensionierten vermissen möchte. Nun aber kam im letzten Jahr ein ungebetener Gast dazu. Covid 19! Die Schreckensmeldungen und eindrücklichen Bilder aus Italien liessen auch die vier pensionierten Wanderer nicht kalt. Sie diskutierten darüber, schränkten sich ein und befolgten die Anweisungen des Bundesrates. Als der ersehnte Impfstoff erhältlich war, haben sich zwei der Pensionierten sofort geimpft. Die anderen zwei wollten noch zuwarten. Da sich ihre Treffen vornehmlich im Freien abspielten, konnten sie trotz Einschränkungen weiterhin ihrem Hobby nachgehen. Sie entdeckten auf ihren Wanderungen wieder das Abkochen und Bräteln im Freien und die Welt war für sie, wenn auch mit Einschränkungen, so in Ordnung. Plötzlich wurden jedoch die Diskussionen ums Impfen untereinander immer härter und auch gehässiger. Die Vor- und Nachteile wurden zuerst sachlich und mit der Zeit so emotional geführt, dass der dritte im Bunde sich schon bald impfen liess. Jetzt wurden die Diskussionen für den noch Ungeimpften so unerträglich, so dass es zu einem heftigen Streit kam und die Wandergruppe sich vorübergehend auflöste.

Warum erzähle ich Ihnen das. Als ich kürzlich meinen Bekannten wieder getroffen habe, hat er mir erzählt, dass einer der Gruppe die anderen drei zu einer Aussprache eingeladen habe. Jeder konnte seinen Standpunkt einbringen. Sie kamen dann zum Schluss, dass sie die unterschiedlichen Meinungen zum Thema «Impfen» zukünftig respektieren wollen und haben das Thema Corona bei ihren Treffen zum Tabu-Thema erklärt. Schlussendlich wolle man die noch bevorstehende Zeit jeden Tag geniessen und sich vom Virus nicht die Lebensfreude stehlen lassen.

Dieses Beispiel zeigt, es braucht nicht immer einen Mediator*in, um aufeinander zuzugehen. Wichtig ist, dass Sie miteinander sprechen, einander zuhören und andere Meinungen akzeptieren und vor allem, machen Sie den ersten Schritt!

Sollten sie trotzdem Hilfe brauchen, melden sie sich bei mir.